Foto: Yan Krukau, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Es gibt eine spezielle Form der #passiv #aggressiven #Kommunikation, die im Alltag besonders häufig auftaucht: der #Alltags #Double #Bind. Es sind diese scheinbar harmlosen, oft »witzig« gemeinten Bemerkungen, die einen sofort in eine Zwickmühle drängen. Egal wie man reagiert, man verliert.
Ein Beispiel: Jemand sagt lächelnd: »Na, Herr Müller Lüdenscheid, nicht so schüchtern!« Reagiert man nicht, bestätigt man die Zuschreibung. Reagiert man doch, wirkt man automatisch aggressiv oder überempfindlich. Die Falle schnappt zu, noch bevor man überhaupt Luft holen kann.
Genau so funktionieren auch Sätze wie: »Du bist aber still heute …« – bleibt man still, ist das der #Beweis. Wehrt man sich, ist das der Beweis. Oder die berüchtigte Abwertung im Tarnmantel eines Kompliments: »Du siehst heute besser aus.« Klingt freundlich, impliziert aber, dass man sonst schlecht aussieht. Selbst die scheinbar harmlose Frage »Wie geht’s dir heute?« kann – entsprechend betont – zum Alltags Double Bind werden: Sagt man »gut«, kommt die ironische Nachfrage, ob das wirklich stimme; sagt man »schlecht«, gilt man als notorischer Pessimist.
Allen Beispielen gemeinsam ist die Mechanik: Man kommt aus dem #Framing nicht heraus. Der Satz gibt ein Deutungsraster vor, und jede Reaktion spielt sich innerhalb dieses Rahmens ab. Wer antwortet, gerät sofort in eine Rechtfertigungsfalle. Selbst Schweigen ist Teil des Spiels, weil es als Zustimmung gelesen wird.
Das perfide daran ist, dass die Angreifer sich selbst in Sicherheit wiegen können. »War doch nur ein Spaß«, lautet dann die Verteidigung. Damit immunisieren sie ihren Angriff und drehen die Verantwortung um: Wer sich wehrt, ist humorlos oder empfindlich. Wer sich nicht wehrt, trägt das Etikett, das ihm aufgeklebt wurde.
Alltags Double Binds sind damit kleine Machtdemonstrationen. Sie funktionieren nicht, weil sie inhaltlich stark wären, sondern weil sie kommunikativ elegant jede Ausweichbewegung blockieren. Die eigentliche Botschaft lautet: Ich bestimme den Rahmen. Du kannst nur reagieren – und wirst dabei verlieren.
»Na, heute wieder verschlafen?«
»Du bist aber still heute …«
»Jetzt sei doch nicht so empfindlich!«
»Das war doch nur Spaß!«
»Na, immer noch Single?«
»Mensch, entspann dich mal!«
»Schon wieder so ernst!«
»Ach, das verstehst du bestimmt nicht.«
»Du siehst schlecht aus, heute.«
»Du siehst heute besser aus.«
»Hast du abgenommen?«
»Wie geht’s dir heute?«
Meta Ebene: Den Mechanismus selbst benennen – gelassen und humorvoll. »Ah, das ist so ein Double Bind: Egal, was ich sage, es klingt falsch …«
#Humor und #Übertreibung: Das Absurde sichtbar machen. »Stimmt, ich bin so schüchtern, dass ich mich kaum traue, guten Morgen zu sagen.«
Spiegeln: Den Spruch zurückwerfen – elegant und mit Lächeln. »Du siehst heute besser aus.« – »Ja. Du auch!« »Gut siehst du aus, hast du abgenommen?« – »Nein. Und du?«
Entzug der Bühne: Nicht ernst nehmen, nicht rechtfertigen, Thema wechseln. Gelassenheit als Machtdemonstration.
Indifferenz Geste: Kurzer Blick, beiläufiges »Jaja, hallo!« – und weitergehen. Macht sichtbar, dass der Spruch nicht der Rede wert ist.
Absurd Überblendung: Mit übertriebener Freundlichkeit das Thema radikal wechseln. »Na, Herr Klöbner? Nicht so schüchtern!« – »Hallo, Frau Soundso! Wie geht’s Ihnen? Haben Sie schon die #Erdbeeren probiert?«
Interessant ist, dass solche Sprüche fast nie gegenüber Personen mit Status oder Macht eingesetzt werden. Niemand würde es wagen, Liz Mohn oder Angela Merkel mit den Worten zu begrüßen: »Na, Frau Merkel? Haben Sie abgenommen? Sie sehen heute schon besser aus!«
Das wirkt sofort #grotesk und völlig unangebracht. Und genau das zeigt, wie diese Alltags Double Binds wirklich funktionieren: Sie sind Hierarchie Tests, die immer nach unten oder seitlich ausgeteilt werden – niemals nach oben.
Alltags Double Binds zwingen in Rechtfertigungsfallen, aus denen man nicht heil herauskommt. Doch wer sie erkennt, entzieht ihnen die Macht. Denn am Ende gilt: Wer #Double #Binds durchschaut, hat schon gewonnen – weil er das Spiel nicht mehr spielen muss.