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#KWS #Lectures: das #Tocqueville #Paradoxon
#Gütersloh, 4. Juli 2025
In einer Welt, die sich ständig weiterentwickelt, scheint es paradox: Je besser die Dinge werden, desto unzufriedener scheinen viele Menschen zu sein. Dieses Phänomen hat bereits im 19. Jahrhundert der französische Staatsphilosoph Alexis de Tocqueville beobachtet – und als grundlegenden Widerspruch beschrieben: das Tocqueville Paradoxon.
Der Ursprung des Paradoxons
Tocqueville formulierte seine Beobachtung während seiner Reisen durch die junge #Demokratie der Vereinigten Staaten und in seinen Studien zur Französischen Revolution. Sein Kerngedanke: Je mehr soziale Ungerechtigkeit abgebaut wird, desto sensibler reagieren Menschen auf verbleibende Ungleichheiten. Mit anderen Worten: Fortschritt erzeugt Erwartungen – und diese Erwartungen wachsen schneller, als die Realität ihnen gerecht werden kann.
Tocqueville schrieb sinngemäß: »Die Menschen ertragen Missstände geduldig, solange sie als normal empfunden werden. Aber sobald sich Verbesserungen abzeichnen, wird jede verbleibende Ungerechtigkeit unerträglich.«
Fortschritt als Frustquelle?
In modernen Demokratien lässt sich das Tocqueville Paradoxon vielerorts beobachten – etwa im Gesundheitswesen, in der Gleichstellungspolitik oder beim Thema Klimaschutz. Trotz objektiver Verbesserungen wächst die öffentliche Unzufriedenheit. Menschen fordern mehr Teilhabe, mehr Gerechtigkeit, mehr Konsequenz – gerade weil erste Fortschritte Hoffnung geweckt haben.
Diese Dynamik kann politisch produktiv sein: Sie treibt gesellschaftliche Debatten an, schärft das Bewusstsein für Ungleichheit und motiviert zu Veränderung. Sie birgt aber auch Risiken – etwa dann, wenn das Gefühl entsteht, dass Fortschritt nie ausreicht oder dass jede Reform zu spät kommt.
Beispiel Gendergerechtigkeit
Ein anschauliches Beispiel liefert die Gleichstellung der Geschlechter. In vielen westlichen Gesellschaften haben Frauen rechtlich nahezu gleiche Chancen wie Männer. Dennoch wächst der öffentliche Druck auf Unternehmen, Institutionen und die Politik. Der Fortschritt hat Erwartungen erzeugt – und damit auch die Wahrnehmung, dass strukturelle Ungleichheiten nun besonders sichtbar und unerträglich sind.
Gesellschaft unter #Spannung
Das Tocqueville Paradoxon hilft zu verstehen, warum gerade in fortschrittlichen Gesellschaften soziale Spannungen zunehmen können. Es erklärt, warum Proteste nicht nur aus Not entstehen, sondern auch aus dem Gefühl, dass der nächste Schritt überfällig ist.
#Politik, #Medien und #Gesellschaft tun gut daran, diesen Mechanismus zu erkennen: Unzufriedenheit ist nicht immer ein Zeichen von Rückschritt – manchmal ist sie ein Symptom des Fortschritts.
Weiterführende #Literatur – Alexis de Tocqueville »De la démocratie en Amérique (1835–1840)«, Raymond Aron »Demokratie und Totalitarismus«, Slavoj Žižek »Paradoxien der Freiheit«.
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