Carsten Kroll und Peter Palsbröker von der Bielefelder Feuerwehr, Dr. Ulrich Tamm und Prof. Dr. Andreas Uphaus von der HSBI arbeiten im Projekt »EmRescPlan« zusammen. Foto: F. Hüffelmann, HSBI, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Steigende Einsatzzahlen und starke Schwankungen in der Notfallrettung: 2 #HSBI #Wissenschaftler helfen der Bielefelder #Feuerwehr bei der Optimierung ihrer Planung
#Bielefeld, 23. Juni 2025
Vorsichtshalber bittet Peter Palsbröker um Ruhe. »Es braucht hohe Konzentration in der Leitstelle«, erklärt er und öffnet die Tür zur Einsatzzentrale der Bielefelder Feuerwehr in der Hauptwache Am Stadtholz. Aber an keinem der Einsatzplätze leuchtet die rote Lampe für aktuelle Notrufe. »Ungewöhnlich. Das ist der Vorführeffekt«, stellt Palsbröker fest und lacht. Denn tatsächlich ist die Anzahl der Rettungseinsätze in den vergangenen Jahren gestiegen, gleichzeitig sind die Schwankungen größer geworden. Und genau deshalb hat die Feuerwehr die Hochschule Bielefeld (HSBI) um Unterstützung gebeten. So entstand das Projekt EmRescPlan.
Wer in Bielefeld die 112 wählt, landet in der zentralen Leitstelle der #Hauptwache. Hier gehen alle Notrufe ein, hier werden Rettungsdienst und Feuerwehreinsätze koordiniert. »Also insbesondere alle Einsätze, bei denen medizinische Hilfeleistung gefragt ist«, erläutert Peter Palsbröker. Als Leiter der Leitstelle ist er für den Betrieb und die Planung der Leitstelle zuständig, dafür, dass immer ausreichend Einsatzkräfte im Dienst und ausreichend Notrufabfrageplätze besetzt sind.
Die Planung der Notfallrettung liegt in der Verantwortung von Carsten Kroll, Geschäftsbereichsleiter Einsatz. Die Planungen für die benötigten #Rettungswagen (RTW) und #Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) im Stadtgebiet erfolgen alle fünf Jahre bei der Erstellung des Rettungsdienstbedarfsplanes in Zusammenarbeit mit den Kostenträgern und mit Hilfe eines Gutachterbüros. Die Zeitvorgaben für die Notfallrettung sind klar: »Innerhalb von zehn Sekunden soll ein Notruf in der Leitstelle angenommen werden können, innerhalb von acht Minuten ein Rettungswagen vor Ort sein, innerhalb von 12 Minuten ein Notarzteinsatzfahrzeug«, sagt Palsbröker.
Bedarfsermittlung retrospektiv – das war gestern! Jetzt wird nach vorn geschaut
Bislang ermittelte die Feuerwehr ihren Bedarf retrospektiv. »Wir haben die Einsatzzahlen eines zurückliegenden Zeitraumes genommen und daraus die künftig benötigten Einsatzmittel und Notrufabfrageplätze berechnet«, erläutert Palsbröker. Allerdings gab es am verwendeten mathematischen Modell grundsätzliche Kritik, genauer: an der sogenannten Poisson Verteilung. Sie setzt eine unabhängige Verteilung der Ereignisse voraus, weiß der mathematisch interessierte Leiter der Leitstelle. »In der Realität gibt es die aber nicht«, so Palsbröker: »Notfälle sind keine unabhängigen Ereignisse. Während einer Grippewelle oder bei Eisregen beispielsweise steigen unsere Einsatzzahlen.« Das heißt: Die Anzahl der Einsätze ist nicht gleichmäßig über die Woche, den Monat oder das Jahr verteilt, sondern sie schwankt.
Zudem blieb sie in den vergangenen Jahren nicht gleich, sondern stieg deutlich an. Woran das liegt? Carsten Kroll zuckt ratlos mit den Schultern und kann vorerst nur spekulieren: »Passiert tatsächlich mehr? Oder rufen die Leute immer öfter auch wegen Kleinigkeiten den Rettungswagen?« Noch gravierender für die Einsatzplanung: Die Einsatzzahlen schwanken immer stärker. »An einem Tag haben wir 50 Einsätze, am nächsten 150«, verdeutlicht der Geschäftsbereichsleiter Einsatz das Problem. Die Einsatzplanung per se am Maximalbedarf auszurichten? »Unrealistisch! Das ist nicht nur eine Frage der Kosten, sondern auch der verfügbaren Fachkräfte«, sagt Kroll. So gilt es stattdessen, die vorhandenen Rettungsmittel und kräfte effizienter einzusetzen. »Unser Ziel ist es, mit den richtigen Einsatzmitteln zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein«, betont Peter Palsbröker. Dazu braucht es eine präzise Abschätzung, mit wie vielen Einsätzen wann und wo zu rechnen ist. »Sozusagen den Blick in die Glaskugel.« Mit dem mathematischen Standardmodell kam Palsbröker in der Einsatzplanung nicht weiter, eine Optimierung war nötig. Also fragte die Feuerwehr bei der HSBI an.
HSBI hilft, Rettungsteams und Notfallteams zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar zu halten
Mit einer #Glaskugel kann Prof. Dr. Andreas Uphaus zwar nicht dienen, dafür aber mit einem umso analytischeren Blick auf Zahlen und Daten. Der Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft und Rechnungswesen der HSBI kennt sich bestens aus mit der optimalen Verteilung des Kapitals in internationalen Konzernen: »Mathematisch ist das mit der Notfallrettungsplanung der Feuerwehr vergleichbar.« Uphaus nahm sich der Feuerwehr Anfrage an und machte sie zum wissenschaftlichen Kooperationsprojekt. »Es ist eine absolut sinnvolle Anwendung, die der Allgemeinheit dient«, erklärt er seine Motivation. Als ausgewiesenen Statistiker holte er noch Dr. Ulrich Tamm mit an Bord, Mathematiker am Fachbereich #Wirtschaft.
Zunächst identifizierten die beiden die Faktoren, von denen die Einsätze abhängen. »Erkennen wir das Muster, unter welchen Umständen mehr oder weniger Notrufe eingehen, können wir auch die Ursachen der Schwankungen verstehen und entsprechend reagieren«, erklärt Uphaus. Zusammen mit den Feuerwehrleuten erstellten die Wissenschaftler einen Katalog möglicher Einflussfaktoren, von Wochentagen über Wetterdaten zu Temperatur, Niederschlägen oder Blitzen bis hin zu städtischen Events. »Die Einsatzdaten der Feuerwehr waren bereits hervorragend zu verwerten, andere Daten mussten wir erst in geeigneter Form erheben oder standardisieren«, beschreibt Tamm die Herausforderung. Auf Anfrage lieferte etwa der Deutsche Wetterdienst die benötigten Wetterdaten, während die Ärztliche Leitung Rettungsdienst mit Dr. Carsten Obermann und Dr. Carsten Kirchhoff für die Einordnung der medizinischen Daten eigens eine Klassifikation entwickelten, um die Auswertung zu ermöglichen.
Temperatur, Niederschlag, Wochentag, Ferien – viele neue Faktoren berücksichtigt
Mit Hilfe deskriptiver Statistik analysierten Ulrich Tamm und Andreas Uphaus zuerst Einsatzdaten und mögliche Einflussfaktoren für sich, um sie dann im Zusammenhang zu betrachten. Dabei bestätigten sich einige intuitive Annahmen der Feuerwehr. »Bei höheren Temperaturen und Events haben wir mehr Einsätze«, sagt Peter Palsbröker. Andere, tradierte Überzeugungen konnten dagegen widerlegt werden. Palsbröker lächelt: »Es hieß immer, bei Vollmond gibt es mehr Geburten, also auch mehr geburtsmedizinische Einsätze für uns.« Ulrich Tamm weist auf ein Balkendiagramm: »Statistisch ist dieser Zusammenhang aber nicht nachweisbar, für die Einsatzplanung also nicht relevant.« Während die Mondphasen also ausschieden, behaupteten sich andere Faktoren dagegen deutlich: Schulferien, Wochentage und Monate. »In den Schulferien sinken die Einsatzzahlen signifikant, ebenso an Wochenenden, besonders sonntags«, erläutert Andreas Uphaus die Ergebnisse. »Dafür konnten wir für montags einen sprunghaften Anstieg der Einsätze zeigen.« Und auch im Dezember gehen die Einsatzzahlen nach oben. Diese spezifischen Zusammenhänge können von der Feuerwehr bereits jetzt als prinzipielle Regeln in die Einsatzplanung einbezogen werden. »Zukünftig könnten wir aufgrund der Untersuchungsergebnisse theoretisch in den Sommerferien auf einen Rettungswagen inklusive Besatzung verzichten, während wir im Dezember einen mehr einsetzen sollten«, sagt Peter Palsbröker. Die Tücken liegen aber auch hier im Detail: Wenn auch die Gesamteinsatzbelastung im Stadtgebiet einen geringeren Bedarf zeigt, müssen die Stadtgebiete dennoch ausreichend mit Einsatzmitteln versorgt sein, um die 8 Minuten Hilfsfrist einhalten zu können.
Damit sie auch die besagten hohen Schwankungen besser verstehen und berücksichtigen zu können, nehmen die Wissenschaftler der HSBI auch die weniger einfachen Abhängigkeiten in den Blick. Andreas Uphaus: »Uns interessieren besonders die komplexen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Einflussfaktoren wie zum Beispiel Temperatur, Niederschlag, Wochentag, Feiertag und Stadtquartier. Ist es beispielsweise an #Silvester besonders kalt, sinken auch die Einsatzzahlen.« Uphaus und Tamm setzen deshalb in der Analyse auf sogenannte statistische Regressionen und die Spezialisten für komplexe Datenstrukturen. Bei letzterem handelt es sich um #KI basierte #Neuronale #Netze. »Nur so lassen sich die genauen Zusammenhänge herausarbeiten.«
Und für den nächsten Schritt verwenden: »Mit den Erkenntnissen, also allen relevanten Faktoren und ihren gegenseitigen Abhängigkeiten, können wir ein Modell formulieren, das mit Methoden der Künstlichen Intelligenz realistische Szenarien simulieren und so eine präzise Prognose der zu erwartenden Einsätze machen kann«, erklärt Tamm. Mit anderen Worten: Die Schwankungen werden absehbar, eine realistische Vorhersage der Anzahl der Notrufe wird möglich und die Einsatzplanung präziser und effizienter. Die Entwicklung eines entsprechenden Tools kann sich der Professor in einem Folgeprojekt von »EmRescPlan« vorstellen. Eine Glaskugel bringt es halt nicht.
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